Die Philippinen
Das 15. Jahrhundert kann als das Zeitalter der großen Entdeckungen bezeichnet werden: 1492 hatte Christoph Kolumbus Amerika entdeckt und sechs Jahre später schloss Vasco da Gama erfolgreich seine Seereise nach Indien ab. Die treibende Kraft für diese Entdeckungen war unter anderem die Suche nach den Gewürzinseln, denn der Gewürzhandel brachte großen Reichtum. In dieser Zeit wuchs Ferdinand Magellan auf. 1480 in Portugal geboren hatte er von Jugend auf Sehnsucht nach der großen Seefahrt.
Im Auftrag der spanischen Krone startete Magellan am 10. August 1519 die ehrgeizigste Schiffsreise seiner Zeit. Er überquerte den Atlantik und überstand mit seiner Mannschaft schlimme Stürme und unerträgliche Hitze. Nach mühsamer Fahrt durch jene Meerenge, die heute als „Magellanstraße“ bekannt ist, erreichte er den Pazifik, den er wegen der ruhigen Wetterlage „Pazifischen“ oder „Stillen Ozean“ nannte. Nach zwei Jahren und elf Monaten hatte Magellan einen westlichen Weg in den Orient gefunden.
Die Flotte erreichte am 16. März 1521 die Philippinen. Von den 7.100 Inseln unterschiedlicher Größen und Formen sind knapp 1.000 bewohnt. Insgesamt bedeckt das zerstückelte Land eine Fläche so groß wie Italien.
Intramuros in Manila
1543 werden die Inseln zu Ehren des spanischen Königs Philipp II. „Philippinen“ genannt. Damit begann die über 300jährige spanische Kolonialherrschaft über die Inseln. 1571 erobert Lopez de Legazpi das strategisch wichtige May niland, das heutige Manila. Er lässt „Intramuros“ bauen, eine Stadt innerhalb der Mauern, die jahrhundertelang Sitz der spanischen Oberschicht war.
Wir stehen vor den unbezwingbaren Mauern der Befestigungsanlage und besichtigen das unter Denkmalschutz stehende Fort Santiago. Hauptattraktion der Festung ist der Rizal Shrine, eine ehemalige Kaserne, in der der Nationalheld Jose Rizal, der Vorkämpfer der philippinischen Unabhängigkeitsbewegung, 1896 von den Spaniern hingerichtet wurde. Am Vorabend seines Todes schrieb er in seiner Zelle sein berühmtes Gedicht „Mi Ultimo Adios“ – mein letztes Lebewohl. Strophen, die heute jedes Kind auswendig lernen muss.
Hauptstadt der Gegensätze
In der Metropole Manila leben heute an die 15 Millionen der insgesamt 89 Millionen Filipinos. Das Straßenbild prägen bunte Linienbusse, die Jeepnys. Knallbunt oder chromblitzend, mit riesigen Mercedes-Sternen sind sie heute schon zum Wahrzeichen der Philippinen geworden.
Die Folgen des Wachstums seit 1976 sind überall spürbar: Gewühl, Lärm und die täglichen Verkehrsstaus. Manila ist eine Stadt der krassen Gegensätze: Makati ist beispielsweise die größte Mall von Asien und man fühlt sich wie im Bankenviertel von Frankfurt. Die Wolkenkratzer erinnern an eine amerikanische Großstadt - unmittelbar daneben die Slums der Armen.
Die Menschen lassen sich von ihren Schwierigkeiten nicht unterkriegen. Über sich selbst sagen sie, sie seien wie Bambus: biegsam, aber von keinem Sturm zu brechen. Das erklärt auch, dass Feiern, Lachen und Musik trotz aller Probleme im Alltag nicht zu kurz kommen.
Zeugnisse der spanischen Kolonialzeit
Die nördlichste Region der Philippinen, die Region „Ilocondia“, ist reich an eindrucksvoller Natur und kulturellem Erbe. Bei einer Fahrt durch Nord–Luzon begegnen wir immer wieder Zeugnissen der spanischen Kolonialzeit.
Eines der berühmtesten Beispiele dieser Epoche ist das an der Westküste gelegene Städtchen Vigan. 1572 landeten die Spanier in dieser Küstenstadt im Nordwesten der Insel und machten es zu einem Umschlagplatz für Porzellan und Seide aus China, Gewürzen aus Malaysia und zu einer Drehscheibe zwischen Asien, Europa und Mexiko. Der dortige Hafen war nach Manila gleichsam die „Hansestadt der Philippinen“.
Bis heute ist im historischen Kern der Stadt das Flair der spanischen Kolonialzeit erhalten. Die mächtige Kathedrale, der Bischofspalast sowie die zahlreichen herrschaftlichen Handelshäuser aus dem 17. Jahrhundert prägen das Bild. Wenn man durch die Altstadt spaziert und das Pferdegetrappel der hochrädrigen Kutschen („calesa“) auf den mit Kopfstein gepflasterten Straßen hört, fühlt man sich unweigerlich in längst vergangene Zeiten versetzt. 1999 wurde dieses Stück „Kastilien in Südostasien“ von der UNESCO in das Weltkulturerbe aufgenommen.
Nördlich von Vigan steht die berühmteste Kirche Ilocandias in Paoay: Die San Augustin-Kirche aus dem frühen 18. Jahrhundert zählt zu den eindrucksvollsten Sakralbauten der Kolonialzeit. „Erdbebenbarock“ nennt man diese massive Konstruktionsweise, die Feuersbrünste und Erdbeben überstanden hat. Auch dieses sakrale Bollwerk der Spanier ist heute Weltkulturerbe.
Die Bergwelt der Cordillera Central
Von den historischen Bauten an der Küste führt unsere Reise in die Bergwelt der „Cordillera Central“. Über Baguio, einer Sommerfrische für die reichen Bewohner von Manila, geht es nach Sagada, das auf 1.500 Metern Höhe liegt. Wir tauchen ein in eine Welt, fern jeder westlichen Zivilisation.
Erdrutsche hatten nach heftigen Unwettern einige Monate vor unserer Reise zahlreiche Tote gefordert und fast eine halbe Million Bewohner der Insel obdachlos gemacht. Unter den Schlammmassen waren auch etliche Straßen begraben und wir wussten lange nicht, wie unsere Weiterfahrt aussehen würde. Glückliche Umstände und die Ruhe und Besonnenheit unseres Fahrers brachten uns sicher ans Ziel.
Totenkult der Igorots
Wie die Landschaft der Cordillera unterscheiden sich die Bewohner der Bergregionen von den Tiefland-Filipinos. Die Igorots sind die Nachfahren der Protomalaien, die vor etwa 3.000 Jahren von Festlandasien eingewandert sind. Sie bestatten ihre Toten in luftiger Höhe auf steilen Felswänden, wie im Dorf Sagada, das dafür weltweit berühmt wurde.
Die Seelen der Verstorbenen sollen kommen und gehen können, wie sie möchten. Die Igorots wollen ihre Toten nicht unter der Erde bestatten, weil sie glauben, die Seele der Toten würde unter der Erde ersticken.
Wenn ein Angehöriger stirbt, werden alle Verwandten und Freunde benachrichtigt. Es beginnt zunächst eine Totenwache, bis alle Verwandten aus der Umgebung eingetroffen sind. Während dieser Totenwache wird der Verstorbene auf einen Totenstuhl gesetzt. Der hockende Leichnam wird in ein Tuch gehüllt, in einen hölzernen Sarg gelegt, in einer Felswand beigesetzt und der Totenstuhl daneben aufgehängt.
Reisterrassen - die „Stufen zum Himmel“
Die beschwerlichen Fahrten durch das Landesinnere lohnen. Nach den kulturellen Höhepunkten erwarten uns die berühmten Reisterrassen rund um Banaue, die heute als achtes Weltwunder, bezeichnet werden.
Vor etwa 2.000 Jahren haben die Ifugaos begonnen mit einfachsten Werkzeugen Terrassen in die steilen Berghänge zu bauen, die sie später mit Stützmauern und Dämmen stabilisierten. Über Jahrhunderte haben sie ganze Gebirgsstöcke in Reisterrassen verwandelt. Die Bewässerung der Felder funktioniert auch heute noch. Quellwasser wird durch ein ausgeklügeltes System von Bambusrohren, Kanälen und kleinen Gräben von den obersten Feldstufen bis hinunter auf die tiefergelegenen Terrassen geleitet.
Doch warum war diese enorme Landschaftsumgestaltung überhaupt notwendig? Der Grund dafür liegt in den erforderlichen Wachstumsbedingungen von Nassreis. Dieser kann nur auf ebenen, mit Wasser überschwemmten Feldern gedeihen. Und da das Klima für den Reisanbau in dieser Gegend perfekt ist, hatte man sich dazu entschlossen, statt wie üblich die Pflanze nach dem Gelände auszuwählen, einfach das Gelände der Pflanze anzupassen. Eine Entscheidung, die den Reisbauern noch eine weitere Nahrungsquelle bescherte: Auf den überschwemmten Terrassen lassen sich problemlos Fische züchten – eine Kombination, die willkommene Abwechslung auf den Teller brachte.
Würde man die Terrassen aneinanderreihen, hätten sie eine Länge von mehr als 20.000 Kilometern – sie könnten die halbe Erdkugel umspannen! Natürlich wollten wir einige dieser „Stufen zum Himmel“, wie sie von den Ifugaos einst treffend genannt wurden, erklimmen. Ein Unterfangen, das zu einem kleinen Abenteuer wurde. Bei unserer „Terrassenwanderung“ mussten wir uns enorm konzentrieren und höllisch aufpassen, dass wir beim Balancieren auf den schmalen lehmigen Mauern zwischen den Feldern nicht ausrutschen. Bei unserer „Terrassenwanderung“ kamen wir auch durch die kleinen Dörfer der Ifugaos. Ihre heute noch sehr bescheidene Lebensweise scheint in einem extremen Gegensatz zu den gewaltigen Reisterrassen zu stehen. Noch heute leben sie weitgehend isoliert von der christlichen Majorität auf den Philippinen. Sie tragen ihre traditionelle Kleidung, die je nach Anlass bunt verziert und mit Statussymbolen versehen ist.
„Gottes kleines Paradies“: BOHOL
Nach den zahlreichen Natur- und Kulturerlebnissen war die Zeit reif für „Relaxen“ – oder für neue Abenteuer? Meine Wahl fiel auf Bohol, eine kleinere Insel, die von Manila aus in einer Flugstunde zu erreichen ist.
„Bituon Beach“ – so der Name meines Resorts - bedeutet so viel wie „Sternen Strand“. Das Resort liegt genau 100 über den Äquator, was auf allen T-Shirts vermerkt ist. Es ist liebevoll in die Tropenlandschaft eingebettet und vom Massentourismus noch weitgehend unberührt. Der Garten mit phantastischen Blumen, seltenen Palmen und exotischen Kakteen verzaubert. Es gibt zwölf Bungalows für insgesamt 30 Gäste. Ihnen stehen etwa 80 Angestellte gegenüber: Küche, Servier- und Reinigungspersonal, Tauchguides und Gärtner.
„Schokoladehügel“ und „Kobolde“
Die überwiegende Zahl der Touristen kommt zum Tauchen hierher. Das war ja auch mein Ziel – aber es wäre schade, die anderen Sehenswürdigkeiten der Insel „links liegen zu lassen“. Neben den Bauwerken aus der Zeit der Spanier sind es vor allem Fauna und Flora, die man sich hier nicht entgehen lassen sollte. Gemeinsam mit einer Handvoll Leute nützte ich die Chance mit einem Jeepney das Land zu erkunden: Und zwar in luftiger Höhe vom Autodach aus.
Wer „Bohol“ hört, denkt unweigerlich an die legendenumwobenen „Chocolate Hills“ im Inselmittelpunkt. Über 1200 Hügel ragen bis zu bis zu 50m hoch dicht aneinander aus der Erde. Die Trockenzeit verleiht ihrem Grasbewuchs die braune Schokoladefarbe. Ihre Entstehung ist allerdings nicht ganz geklärt, es gibt verschiedene Theorien dazu. Die Filipinos haben dafür eine einleuchtende Legende parat: Die Hügel sind nichts anderes als die versteinerten Tränen des Riesen Arogo, die er aus Trauer vergoss, als seine Angebetete, die schöne Aloya, starb.
Nicht weit davon haben die kleinsten Primaten Asiens ein sicheres Refugium gefunden: es sind die Tarsier, auch Koboldmakis genannt. Diese eigenartigen Kreaturen, die sonst nirgendwo auf der Welt vorkommen, sind nur handtellergroß – haben dafür aber Augen, die im Verhältnis zu ihrem Körper etwa 150 Mal größer sind als die des Menschen. Das ermöglicht ihnen eine gute Sicht im Dunkeln, denn die Tiere sind nachtaktiv und fangen nach Sonnenuntergang Insekten, kleine Vögel und Reptilien.
Nicht nur die Natur, auch die Art des Mittagessens ist eine Besonderheit: auf großen Flößen, den „floating restaurants“ kann man sich stärken. Langsam gleiten wir auf dem Loboc-River dahin, vorbei an artenreicher Ufervegetation und reizenden Ortschaften flussaufwärts bis zu den Busay Wasserfällen, untermalt von traditioneller philippinischer Musik.
Karaoke in der Bambushütte
Um sechs Uhr am Abend wird es dunkel. In der Umgebung unserer Anlage gibt es keinerlei Sehenswürdigkeiten. Ich spaziere mit der Stirnlampe am Kopf, die die Straßenbeleuchtung ersetzt, durch die Gegend. Überall werde ich freundlich gegrüßt und eingeladen, zu verweilen. Aus einer Bambushütte klingt Musik. Ich traue meinen Augen nicht: Inmitten der Wildnis vergnügt sich eine Gruppe junger Leute mit Karaoke-Gesängen. Mit dem Text auf dem Bildschirm vor sich versucht sich jeder als Nachwuchssänger. Offensichtlich ein „Nationalsport“ – denn solche Szenen habe ich noch öfter erlebt.
Die Stirnlampe leistet gute Dienste. Beim Abendessen fällt immer wieder der Strom aus. Was ich nicht gebraucht habe: meinen Wecker. Jeden Morgen pünktlich um halb sechs Uhr in der Früh kräht der Hahn vom Nachbargarten aus Leibeskräften und verkündete den Tagesanbruch. Als einer der ersten beim Frühstück genieße ich die Ruhe des Morgens und den faszinierenden Blick von unserer Veranda auf das Meer. Die Sonne geht gleich zweimal auf: Eine am Firmament und eine andere vor mir auf dem Teller. Mit viel Kreativität wird ein Spiegelei mit schmalen Paprikastreifen verziert, dass mir eine strahlende Sonne vom Frühstückstisch entgegen lacht.
Faszinierende Welt unter Wasser
Nach den vielen Eindrücken auf dem Land ist es nun höchst an der Zeit, die Unterwasserwelt zu erforschen. Das kleine Tauchresort bietet ideale Voraussetzungen für mein neues Metier, die Unterwasser-Fotografie. Es sind überwiegend erfahrene Taucher da und jeder kann sein eigenes Tagesprogramm zusammenstellen. Ich engagiere einen einheimischen Tauchguide und habe eine Freiheit unter Wasser wie ich sie in meinen 30 Taucherjahren noch nie erlebt habe.
Die Vielfalt und Farbenpracht der Korallengärten sowie die bunten Fische im kristallklaren Wasser begeisterten mich – und das 100 Meter vom Resort entfernt. Das ist von unschätzbarem Wert, vor allem bei Nachttauchgängen. Ohne weite Bootsfahrt kann man viele nachtaktive Fische in Ruhe beobachten, Schnecken und Krabben, die ich noch nie gesehen hatte – und Schlangen, die mir Respekt einflößen. Die fotografische „Ausbeute“ ist erfreulich.
Immer Lachen – oder zumindest ein Lächeln. Selten habe ich auf meinen Reisen so viele Fröhlichkeit erlebt wie auf Bohol. „Mabuhay“ – „Herzlich Willkommen. Wir freuen uns, dass du gekommen bist“. Und ich habe mich auch gefreut, dass ich da war.
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