Indien: Ladakh – Zanskar
Wir starten unsere Jeep-Tour in Srinagar, das in der Region Kaschmir liegt und früher ein wichtiger Handelsplatz im Vorderen Himalaya war. Hier kreuzten sich einst die Karawanenstraßen zwischen Vorder-, Zentral- und Südasien. Unser Reiseleiter ist Jakob, ein gebürtiger Tiroler, der bereits seit 40 Jahren in Indien lebt. Mit seinen zwei alten Militär-Jeeps brechen wir in zum Teil sehr abgelegene Gebiete von West-Tibet auf.
Dem Wind entgegen
Bei einem der Jeeps ist hinten ein Brett angebracht, auf dem man stehen kann. So kommen wir in den Genuss eines 360-Grad-Blicks. Neben einer Portion Mut bedarf es dabei aber geschickter Gleichgewichtsübungen, um die harte Federung auf den Pisten auszugleichen. Auch Konzentration und stetes Festhalten sind ratsam, um in den vielen Kurven nicht runterzufallen.
Auf waghalsig angelegten und von Schlaglöchern übersäten Schotterpisten erreichen wir den Zoji-La-Pass auf 3.800 Metern Höhe. Im Winter liegen hier bis zu 20 Meter Schnee, und in der Monsun-Zeit gibt es sintflutartige Regenfälle. Felsbrocken auf der Piste, Vermurungen, Erdrutsche sowie riesige Baufahrzeuge bei der Arbeit verzögern unser Weiterkommen. Umso glücklicher sind wir, als wir sicher die Stadt Kargil erreichen.
Am nächsten Tag geht es bereits um 5 Uhr früh los, um die lange Etappe nach Zanskar zu schaffen. Die Route ist auch heute noch eine Herausforderung – wenngleich nicht mehr so wie in vergangenen Zeiten. Vor dem Bau der Piste konnte man diese 240 Kilometer lange Strecke nämlich nur in einem Zehn-Tages-Marsch bewältigen. Der Weg ist ausschließlich zwischen Juli und September befahrbar. Denn während der Wintermonate gibt es heftige Schneefälle. Zanskar ist dann sieben Monate fast völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Die Menschen können nur zu Fuß auf dem zugefrorenen Zanskar-Fluss in die Außenwelt gelangen.
Konzentriert steuern Jakob und Anil die Fahrzeuge. Die Luft ist klar und die Aussicht auf die umliegenden Berggiganten grandios. Trotz der Kargheit bekommt einem ein besonderes und ehrfürchtiges Gefühl in Anbetracht dieser Landschaft. Vorbei an den 7.000 Meter hohen Eisriesen Kun und Nun erreichen wir den Penzi-La Pass. Der Höhenmesser zeigt: wir befinden uns auf 4.440 Meter Höhe und die Luft wird dünner…
Da nächste Naturschauspiel in der Nähe des Passes ist der mehrere Kilometer-lange Durung Drung – Gletscher. Mit seinen gewaltigen Eismassen ist er einer der größten Gletscher im Himalaya. Aber auch in diesem Gebiet macht sich der Klimawandel bemerkbar: Vor 20 Jahren reichte die Eiszunge noch knapp bis zur Straße – heute hat sie sich weit ins Tal hinaufgezogen.
Hinter diesem Pass liegt, begrenzt von der eisigen, schroffen Hauptkette des Himalaya zu unserer Rechten und der Zanskarkette zu unserer Linken, in einer fruchtbaren Oase das einstige buddhistische Königreich Zanskar. Glücklich erreichen wir schließlich nach einem 14stündigen Fahrtmarathon bei Dunkelheit Padum, die Hauptstadt von Zanskar.
Padum – Ort der Abgeschiedenheit
Zanskar liegt zwischen 3.500 und 7.000 Metern über dem Meeresspiegel, auf dem „Dach der Welt“. Auf einer Fläche von rund 7.000 Quadratkilometern – in etwa so groß wie das Bundesland Salzburg – leben 10.000 Einwohner. Formal ist Padum ein Verwaltungszentrum – tatsächlich ist es ein Ort mit knapp 100 Häusern und 1.000 Bewohnern.
Zanskar war lange Zeit ein eigenständiges buddhistisches Königsreich und hat sich durch die isolierte Lage bis heute seine traditionelle Kultur bewahrt. Wie bei vielen tibetischen Dörfern steht am Eingang ein Chörten. Der weiß getünchte Hauptkörper hat die Form einer umgestülpten Glocke und erhebt sich auf einem hohen, vielfach abgestuften Unterbau. Wie die Bewohner umrunden auch wir das Gebäude mit Respekt im Uhrzeigersinn.
Wir unternehmen einen Spaziergang durch das Dorf und bekommen ein klein wenig vom Alltag der Menschen mit. So können wir beispielsweise bei der Herstellung der luftgetrockneten Lehmziegel sowie beim Hausbaus zusehen. Nirgendwo entdecken wir Maschinen - alles Handarbeit mit einfachsten Mitteln. Auf den Flachdächern liegt neben Holz der Dung der Tiere zum Trocken, der hier ein wichtiges Brennmaterial ist.
Begegnung mit dem alten König
Unser Weg führte uns auch in die alte Hauptstadt von Zanskar, nach Zangla. Fast 400 Jahre lang regierten hier die Zangla-Könige über die kleine Provinz. Heute leben die Nachfahren der Königsfamilie nicht mehr in ihrer Festung hoch oben am Berg, sondern in einem schönen Haus unten im Dorf.
Der mittlerweile über 80-jährige ehemalige Regent genießt in der Bevölkerung noch immer großes Ansehen und wird von den Leuten respektvoll mit Gyalpo (König) angesprochen. Jakob kennt ihn von seinen früheren Reisen, und wir haben das Glück, ihn vor seinem Haus anzutreffen. Mit Freude erzählte er uns Österreichern, dass er ein Freund von Heinrich Harrer war und ihn ein Stück auf seiner Flucht aus Tibet begleitet hat.
Gompas - Orte der Spritualität
Die Region wird oft als „Kleintibet“ oder „West-Tibet“ bezeichnet. Dieser Name stimmt insofern als Ladakh und Zanskar jahrhundertelang engste kulturelle und spirituelle Verbin-dungen mit Zentraltibet pflegten. Von Padum aus besuchen wir etliche Gompas, wie die buddhistischen Klöster genannt werden. Sie wurden oftmals an strategisch wichtigen Stellen erbaut und thronen wie mittelalterliche Trutzburgen über den Dörfern.
Die Klosteranlagen selbst sind alle nach einem bestimmten Muster angelegt: Der Klosterhof ist von einer Mauer umgeben, in der Mitte steht ein hoher, mit einem Dreizack und langen Gebetsfahnen geschmückter Mast. Auf den flachen Dächern findet man zylindrische Banner, die die bösen Geister und Dämonen abhalten sollen.
Das Leben hinter den Klostermauern hat sich über die Jahrhunderte kaum geändert. Nach wie vor ist der Alltag der in den Gompas beschwerlich. Es gibt weder fließendes Wasser noch Strom oder gar eine Heizung. Eltern schicken noch immer in alter Tradition den jüngsten Sohn als Mönch ins Kloster.
Farbenprächtige Maskentänze
Acht Kilometer von Padum entfernt besuchen wir das Kloster Sani. „Gompa“ bedeutet so viel wie „einsamer Ort“. Doch von Einsamkeit oder beschaulicher Ruhe war an diesem Tag nicht viel zu bemerken. Wir sind nämlich pünktlich zum großen Klosterfest in Sani. Von weit her strömen Pilger in großen Scharen zu diesem mehrtägigen Fest. Die Menschen sind freundlich, manche stecken wie in alten Zeiten die Zunge zur Begrüßung raus. Wir antworten mit einem freundlichen „Julee“.
Ein Höhepunkt sind zweifelsohne die bunten Maskentänze, die Cham genannt werden. Diese Mysterienspiele sind keine Theateraufführung zur Unterhaltung, denn nach dem Glauben der Menschen steigen die Wesen der geistlichen Welt für die Zeit des Festes in ihre Träger und Masken. Die Spiele haben vielfach belehrenden Charakter, sehr oft geht es dabei um den Kampf des Guten gegen das Böse.
Wohnen im Guest House
Müde, aber innerlich zufrieden kehren wir jeden Tag am Abend in unser Guest House zurück. Unser Quartiergeber ist ein überaus herzlicher Mann, der für uns bereits das Essen zubereitet hat. Am Gebäude prangt zwar das Schild „Hotel“ – aber der Begriff hat hier eine andere Bedeutung als bei uns: Im Zimmer befinden sich zwei Betten und zwei Sessel sowie ein kleines Tischchen. Ordnung in der Reisetasche ist von Vorteil, denn es gibt keinen Kasten, keine Ablage und keinen Kleiderhaken.
Im Bad befinden sich zwar Armaturen mit den Symbolen für Kalt- und Warmwasser. Die dienen aber lediglich als Verzierung. Das Wasser wird aus dem neben dem Haus fließenden Bach geholt, in der Küche erwärmt und mit Plastikeimer aufs Zimmer gebracht. Mit einem kleinen Gefäß beginne ich mit dem Duschen. Genau in dem Augenblick, in dem ich voll eingeseift bin, fällt der Strom aus. Von da an ist mir klar: die Stirnlampe immer griffbereit halten.
Pulsierendes Leben in Ladakh
Im Unterschied zu Zanskar ist unser nächstes Ziel, die Nachbarregion Ladakh, touristisch erschlossen. Die Hauptstadt Leh ist auch das Touristenzentrum mit vielen Souvenir- und Antiquitäten-Shops. Der Ort wird daher auch als „Klein-Kathmandu“ bezeichnet. Wie dort gibt es auch hier jede Menge Unterkünfte und Restaurants. Ein krasser Gegensatz zur Stille und Beschaulichkeit von Zanskar. Neben der pulsierenden Metropole mit ihrem alten Königspalast besichtigen wir in Ladakh viele berühmte Klosteranlagen wie Lamayuru, Hemis, Thikse oder Alchi, wo sich einzigartige Kunstjuwelen aus dem 11.Jahrhundert befinden.
Dem Himmel so nah
Bei Mahe überqueren wir den Indus und fahren durch ein kleines Seitental bergauf zum 4000 - 5000 m hohen Changtang-Hochplateau. Dieses Gebiet, das sich von Zentraltibet im Osten bis nach Lhasa erstreckt ist das Weideland der Changpa-Nomaden. Überall grasen Schafe und Ziegen - und natürlich die zotteligen Yaks.
Es ist ein hartes Leben hier oben. Manche Menschen fristen ihr Dasein in armseligen Steinbehausungen – andere haben bereits kleine Fahrzeuge und wohnen in Zelten vor denen kleine solarbetriebene Batterien stehen. Gemessen an unseren Maßstäben haben sie materiell wenig bis nichts. Sie kennen maximal ihre Herden und ihre Weidegründe – und dennoch haben sie immer ein Lächeln, das echt und ehrlich wirkt.
Über die Pässe Kongka-La und Namshang-La führt unser Weg zum Tso-Kar Salzsee. Dort übernachten wir in einem fixen Zeltlager auf ca. 4.500 m Höhe. Es ist kalt und wir bekommen dicke Decken zum Wärmen. Erfreut sind wir, als am nächsten Morgen die Sonne scheint und die Temperaturen nach oben klettern. So können wir uns im Freien für die Wanderung stärken.
Immer wieder sage ich mir vor: nicht zu rasch beginnen, langsam gehen und viel trinken. Umso höher ich komme, umso häufiger muss ich Pausen einlegen. Ich bin bei der kleinen Gruppe, die das Ziel auf 5.100 Metern erreicht. Ein atemberaubendes Panorama tut sich auf. Vor uns liegt der „Weiße See“, in dem sich die umliegenden Berge spiegeln. Ein wunderschöner Abschied von diesem einmaligen Gebiet.
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