Mexiko

Auf den Spuren der Maya und Azteken
Mexiko ist weit mehr als blaue Karibikstrände. Es sind vor allem die unzähligen Stätten alter Kulturvölker, die eine Reise zum unvergesslichen Erlebnis machen. Beeindruckend sind auch die vielfältigen Landschaften sowie die Artenvielfalt der Fauna und Flora.

Schnell kommen wir außer Atem. Bedächtig setzen wir Schritt für Schritt auf den großen Steinstufen. Wir befinden uns beim Aufstieg zur Plattform der 63 Meter hohen Sonnenpyramide von Teotihuacán. Die imposante Ruinenstadt im Einzugsgebiet von Mexiko City zählte zwischen 100 und 600 n. Chr. zu den größten Metropolen der Welt. In dieser Zeit wohnten hier bis zu 250.000 Menschen. Als die Azteken im 14. Jahrhundert die verlassene Stadt entdeckten, waren sie überzeugt, den Ursprung der Welt gefunden zu haben. Sie gaben dem Ort den Namen Teotihuacan - „der Ort, an dem die Götter wohnen.“ Mit der 63m hohen Pyramide del Sol steht hier die drittgrößte Pyramide der Welt.

Das Reich der Azteken

Die Azteken nannten sich selbst „Mexika“ und gaben so dem Land seinen heutigen Namen. Nach jahrhundertelangem Herumirren ließen sie sich dort nieder, wo gemäß der Prophezeiung ein Adler auf einem Kaktus eine Schlange verzehrt. Dieses Symbol findet man heute noch im Staatswappen Mexikos.

Auf einer großen Insel im Texcoco-See gründeten die Azteken 1325 ihre Hauptstadt Tenochtitlán. Die spanischen Eroberer unter Hernán Cortés waren nicht nur von der Größe der Stadt beeindruckt, sondern auch ob ihres Reichtums und ihrer perfekten Organisation. Diese Bewunderung hinderte die Spanier jedoch nicht daran, Tenochtitlán bald dem Erdboden gleichzumachen. Im August 1521 fiel die Stadt in die Hände von Cortés. Auf der zerstörten Azteken-Hauptstadt erbauten die Spanier nun Mexiko Ciudad.

Über dem ehemaligen Palast von Moctezuma II. wurde später der Palacio National errichtet. Hauptattraktion im Inneren sind die monumentalen Wandgemälde des mexikanischen Künstlers Diego Rivera. Diese Murales erzählen die tragische Geschichte Mexikos – von den vorspanischen Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Im linken Bogen finden wir auch einen Österreich- Bezug: Kaiser Maximilian aus dem Haus Habsburg-Lothringen. Das Gemälde zeigt seine Exekution im Jahr 1867. Er war der jüngere Bruder von Kaiser Franz Joseph und wurde auf Betreiben von Napoleon III. 1864 als Kaiser von Mexiko inthronisiert.

Faszinierende Maya-Stätten

Vor den Azteken gab es aber noch ande- re großartige Kulturen: Neben Olmeken, Zapoteken und Mixteken sind es vor allem die beeindruckenden Leistungen der Maya, die uns in Staunen versetzen. Teilweise tief im Dschungel erheben sich die imposanten Tempelpyramiden und Paläste ihrer faszinierenden Kultur. Bei jeder dieser Stätten entdecken wir neue Aspekte dieser Hochkultur. Eines ihrer wesentlichen Merkmale ist die Schrift: Das System der Maya bestand aus mehr als 800 Glyphen (Bildzeichen). Diese konnten sowohl Begriffe als auch einzelne Silben repräsentieren, ähnlich wie die Hieroglyphen der alten Ägypter.

Palenque: Tempel der Inschriften

In Palenque befindet sich die Pyramide der Inschriften. Aus den hier eingeritzten Hieroglyphen konnten die Forscher viele Erkenntnisse über die Maya gewinnen. 1949 gab es noch eine sensationelle Entdeckung: Nach dreijähriger Arbeit standen die Archäologen vor dem mächtigen Sarkophag des berühmten Königs Pacal I. im Inneren der Pyramide. Er hat ein Gewicht von 15 Tonnen und ist mit einer fünf Tonnen schwere Grabplatte bedeckt, die reich verziert ist.

Chichén Itzá: Kalender aus Stein

In keiner anderen frühen Kultur wurde die Zeit so genau gemessen wie bei den Maya. Selbst bei Bauwerken stellten sie ihre astronomischen Fähigkeiten unter Beweis. Das berühmteste Beispiel dafür ist Chichén Itzá, eine Ruinenstätte auf der Halbinsel Yucatán. Staunend stehen wir vor dem majestätischen Castillo de Kukulcán mit seinen ausgewogenen Proportionen. Die Architektur dieser Pyramide symbolisiert den Maya-Kalender:

Aus jeder Himmelsrichtung führt eine Treppe mit 91 Stufen empor. Zählt man die oberste Plattform dazu, ergibt das genau 365 – die Tage des Jahres, die von den Astronomen der Maya schon genau berechnet werden konnten. Die neun Plattformen symbolisieren die neun Ebenen der Unterwelt. Berücksichtig man, dass diese Ebenen durch die Treppen jeweils zweigeteilt werden, ergibt sich die Zahl 18. Das ist die Anzahl der Monate des haab - Kalenders.

Am 21. März und am 21. September – bei der Tag-und-Nacht-Gleiche – wird durch die Sonneneinstrahlung eine spezielle Schattenbildung auf die Treppenstufen projiziert. Dies erweckt den Eindruck, als ob die „gefiederte Schlange“ die Stufen der Pyramide hinabgleiten würde. Sie verkörpert den Gott Kukulcán, dem der Tempel gewidmet ist.

Kolonialstädte – Symbole der Macht

Die spanischen Eroberer haben später ihren Machtanspruch in gewaltigen Bauten manifestiert. Mexikanische Städte sind fast immer gleich aufgebaut: Im Zentrum befindet sich der Zocalo. An diesem Platz steht mindestens eine große Kirche, rundherum reihen sich diverse Cafés und Restaurants. So auch in Puebla. Gegründet wurde die Stadt 1531 unter dem Namen Puebla de los Angeles. Der Legende nach erschien dem Bischof von Tlaxcala im Traum ein Engel und wies ihn an, hier die Stadt der Engel zu errichten. Engel schmücken heute als Figuren die schmiedeeiserne Umzäunung des Vorplatzes der Kathedrale.

Im Park am Zocalo reiht sich ein Schuhputzer an den nächsten. Während der Schuhbesitzer bequem im Sessel sitzend seine Zeitung liest, wird sein Schuhwerk fein säuberlich gereinigt und poliert. Berühmt ist Puebla aber auch für seine Talavera-Kacheln, mit denen viele Gebäude verziert sind. Ein originelles Beispiel ist das „Zuckerbäckerhaus“. Seine reichlich aufgetragene weiße Stuckdekoration erinnert sehr an eine Schlagoberstorte.

Vielen fromme Kolonialbeamte gaben ihre Töchter in ein Kloster, das sie nie verlassen durften. Um sich dieses triste Dasein zu versüßen und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, kneteten und backten sie Leckereien aus Zucker, Nüssen und einheimischen Früchten. Nonnen gibt es kaum noch im Convento de Santa Clara – aber die Süßigkeiten haben sich in einer speziellen „Candy-Straße“ bis heute gehalten.

Pulsierendes Leben in Oaxaca

In einem Tal der Sierra Madre de Sur im Süden Mexicos liegt auf etwa 1.500 Metern Höhe Oaxaca. Die Einwohner sind meist Nachfahren der Zapoteken und Mixteken. In vielen Gassen strahlen uns bunte Häuser mit schmiedeeisernen Fenstergittern entgegen und vermitteln Lebensfreude. Wir schlendern durch die Altstadt und tauchen in das Treiben der farbenfrohen Märkte ein. Berühmt ist diese Region für Kakao und Schokolade. Die Maya kannten den Kakaw-Baum schon um 500 v. Chr. Der belebende Trunk war aber nur der Herrscherschicht vorbehalten und diente obendrein als Zahlungsmittel.

Vor allem am Abend, wenn Häuser und Straßen beleuchtet sind, entfaltet Oaxaca seinen vollen Charme. Völlig überraschend sind wir auf einmal mitten in einem bunten Umzug. Zu lautstarker Musik mit vielen Trommlern ziehen riesige Figuren durch die Straßen, Frauen tanzen beschwingt mit ihren bunten Röcken.

Alte Rituale leben weiter

Neben dem Bundesstaat Oaxaca hat die Region Chiapas den größten indigenen Bevölkerungsanteil. So erleben wir in der Stadt San Cristóbal de las Casas einen interessanten Mix von kolonialer Vergangenheit und indigener Gegenwart. Jeden Morgen strömen aus den umliegenden Dörfern die Frauen mit ihren bunten Trachten herein, um auf dem großen Mercado Municipial ihre Produkte zu verkaufen. Die Landbevölkerung in dieser Region besteht fast ausschließlich aus Maya, die ihre Traditionen bis heute bewahrt haben. Sie sprechen ihre eigene Sprache und verehren ihre alten Götter, auch wenn sie längst katholisch geworden sind.

In Dörfern rund um San Cristóbal leben unterschiedliche Maya-Ethnien. Ihr religiöses Zentrum ist das Dorf San Juan Chamula. Dort leben die uralten Rituale auch heute noch weiter. Rund um den Hauptplatz stehen große, mit Pinienzweigen geschmückte Kreuze. Ihre Ähnlichkeit mit dem christlichen Kreuz ist allerdings zufällig. Denn es handelt sich um den kreuzförmigen Weltenbaum der Maya.

Die katholische Kirche ist Johannes dem Täufer geweiht. Der bunt verzierte Bau ist allerdings bloß Fassade für uralte Traditionen. Hier wird lebendiger Synkretismus praktiziert – die Vermischung der alten Maya-Bräuche mit Ritualen des katholischen Glaubens. Es gibt keine Kirchen- bänke, der Boden ist mit Kiefernnadeln und Reisig bedeckt. Hunderte Kerzen flackern, ihr gespenstisches Licht fällt auf die Figuren der Heiligen, die hier die Rolle der alten Maya-Gottheiten übernommen haben. Inmitten dichter Copal-Rauchschwaden werden uralte Maya-Rituale zelebriert. Die Menschen bringen Opfer- gaben in Form von Weihrauch und hochprozentigem Schnaps dar. Hühner werden für Beschwörungsrituale geschlachtet und über brennende Kerzen geschwenkt.

Reichtum durch Agaven

Eine Pflanze bescherte den Spaniern lange Zeit großen Reichtum: die Sisal-Agave. Aus deren großen, schwertförmigen Blättern wurden hanfartige Fasern gewonnen, die zu Seilen, Säcken, Teppichen oder Hängematten verarbeitet wurden. Der Name „Sisal“ stammt von der gleichnamigen kleinen Hafenstadt nördlich von Merida, von wo aus die begehrten Produkte in die ganze Welt exportiert wurden.

In der Nähe von Merida fühlen wir uns auf der aus dem 18. Jahrhundert stammenden Hacienda Sotuta de Peón in die Zeit der Sisal-Barone zurückversetzt. Die prächtigen Villen zeugen vom einstigen Reichtum der Plantagenbesitzer. Arbeiter erklären uns die verschiedenen Verarbeitungsprozesse von der Faser der Agavenpflanze bis zum Endprodukt. Am Beginn der spanischen Kolonialzeit war da noch sehr viel Handarbeit, die von indianischen Tagelöhnern verrichtet wurde. Ihr karger Lohn stand im krassen Gegensatz zum Reichtum der Besitzer. Später wurden immer mehr Maschinen aus Europa eingesetzt.

Kakteen-Kreationen

Neben viel Geschichte und Tradition gibt es auch jede Menge Naturerlebnisse: So ist die Region um Zapotitlán Salinas berühmt für die einzigartigen Kakteen-Wälder. Hier befindet sich der Jardin Botanico „Helia Bravo Hollis“. Wir wandern durch mannshohe Riesenkakteen. Ein besonderes Gewächs ist der Elefantenfußbaum. Er kann Wasser speichern und bis zu neun Meter hoch werden. Auch das Essen versetzt uns in Staunen: In den Kakteenwäldern findet Küchenchef Antonio Diaz sämtliche Zutaten für seine außergewöhnlichen Kakteenkreationen wie Shrimps in Safransauce mit Tetechas.

Mit dem Boot unterwegs

Nicht nur das Land, sondern auch das Element Wasser bietet uns so manches Naturspektakel. Im Bundesstaat Chiapas erleben wir ein Naturwunder, das der mächtige Río Grijalva in den Fels gegraben hat: den Cañón del Sumidero. Die Schlucht ist 25 Kilometer lang und wird von bis zu 1.000 Meter hohen Steilwänden eingerahmt. Die Entstehung begann vor rund 35 Millionen Jahren zeitgleich mit dem Grand Canyon in den USA. Bei einer Bootstour sehen wir viele spektakuläre Felsformationen und kleinere Höhlen.

In der Nähe des kleinen Fischerdorfes Celestun liegt das Naturschutzgebiet Re- serva de la Biósfera Ría Celestún. Dort am Golf von Mexiko unternehmen wir eine weitere Bootsfahrt. Gemächlich tuckern wir entlang der dichten Mangrovenwälder. Der Bootsführer schaltet den Motor aus, geräuschlos nähern wir uns der Hauptattraktion: einer Kolonie rosaroter Flamingos. Die grazilen Vögel stolzieren im seichten Wasser umher auf der Suche nach Nahrung. Diese besteht vorrangig aus kleinen Krebsen und Kieselalgen, die die lachsrote Färbung des Gefieders bewirken.

Eintauchen in die Unterwelt

Der krönende Abschluss und das größte Naturhighlight sind für uns zweifelsohne die Cenoten. Dabei handelt es sich um das größte zusammenhängende Höhlensystem der Welt, das vor Tausenden Jahren entstanden sind. Es verläuft wie ein U-Bahn-Netz. An einigen Stellen sind die Decken eingebrochen und haben so riesengroße Löcher als Zugang zu den unter- irdischen Kalksteinhöhlen geschaffen. Yucatán ist übersät von mehr als 1.000 dieser Cenoten, die zwischen 15 und 80 Meter tief sind.

Die Maya benutzten sie als Brunnen zur Trinkwassergewinnung. Die Cenoten spielten aber auch eine wichtige Rolle in ihrer Mythologie. Sie hielten dort Zeremonien für Chaac, den Regengott, ab. In manchen heiligen Cenoten wurden lebendige Menschen für die Götter geopfert sowie wertvolle Gegenstände aus Gold, Silber und Edelsteinen hineingeworfen.

Die Maya betrachteten die Cenoten als Tor zur Unterwelt. Für uns sind sie ein Tor in eine andere Welt und eine Tauchattraktion, wie wir sie nie zuvor erlebt haben: Durch einen schmalen Eingang tauchen wir ab in eine komplett dunkle, mit Wasser gefüllte Tropfsteinhöhle. Wir schweben im glasklaren Wasser und sehen im Schein unserer Lampen die bizarren Formationen der Stalaktiten und Stalagmiten. Und wenn dann noch durch einen Spalt Sonnenlicht in die Höhle kommt, entstehen spektakuläre Lichteffekte. Plötzlich erspähen wir im Schein des Lichtkegels alte Tonscherben. So begegnen wir auch unter Wasser der Maya-Kultur.


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