Namibia

Traumhaftes Afrika
Nichts als Sand? Von wegen! Namibias Wüste lebt – und das nicht nur an den zahlreichen Wasserstellen. Über Begegnungen mit großen und kleinen Tieren, mit roten Nomaden und einem süßen Gruß aus dem Schwarzwald.

Bedächtig setzen wir einen Schritt vor dem anderen. Und immer wieder sinken wir ein. Aber nicht im tiefen Schnee unserer Alpen, sondern im feinen Sand der Namib-Wüste im fernen Namibia. Sie ist vor mehr als 50 Millionen Jahren entstanden und damit die älteste Wüste der Welt.

Victor, unser Guide, hat recht, wenn er uns noch vor dem Morgengrauen aus den Federn holt. Denn bei Sonnenaufgang öffnet der Nationalpark seine Tore, und es haben sich bereits etliche Fahrzeuge eingefunden, um dieses Naturwunder zu erleben. Rund 60 Kilometer vom Parkeingang entfernt befinden sich bei Sossusvlei die höchsten Dünen der Welt. Bis zu 300 Meter ragen sie empor. Hier zeigt sich, wer das Fahren im Wüstensand beherrscht: Mehrere Jeeps bleiben stecken, die Fahrer müssen zur Schaufel greifen, um ihren Wagen wieder freizubekommen, wenn sie nicht auf eine Abschlepphilfe warten wollen. Das ist anstrengend und kostet Zeit. Und Zeit ist bei unserem Vorhaben ein kostbares Gut.

Denn früh am Morgen ist das einzigartige Spiel aus Licht und Schatten am intensivsten zu erleben. In der aufgehenden Morgensonne erstrahlen die mächtigen Sandberge über Orange, hellem Braun bis zum kräftigen Rot. In weiser Voraussicht rät Victor davon ab, die berühmte „Düne 45“ zu besteigen, weil sich dort die Massen tummeln. So erklimmen wir die Spitze von „Big Mama“, die mit ihren 285 Meter Höhe für uns noch immer genug Heraus-forderungen bietet.

Es ist eine Gratwanderung in der doppelten Bedeutung des Wortes. Der Aufstieg entlang des Dünenkammes ist teilweise beschwerlich, immer wieder rutschen wir im Sand zurück. Und trotz hoher Wanderschuhe lässt es sich nicht vermeiden, dass das Schuhwerk voller Sand ist. Doch unser früher Start und unsere Mühen werden reichlich belohnt: Mit einem Gefühl der inneren Zufriedenheit genießen wir den Rundblick über die unendliche Weite der Namib. Wie von Künstlerhand geformt umgeben uns die geschlungenen Linien der Sanddünen. Hinunter geht es dann mit großen Schritten durch den tiefen Sand wesentlich rascher.

Bizarre Formen im Deadvlei

Nicht weit von Sossusvlei entfernt liegt schon die nächste Attraktion: das Deadvlei. (Vlei ist Afrikaans und bedeutet so viel wie „Senke“). Wir bestaunen die bizarre Landschaft aus trockenen Ästen der abgestorbenen Kameldornbäume, die wie Mahnmale in den Himmel ragen. Gigantische Sanddünen haben hier für sehr lange Zeit die Akazien vom Wasser abgeschnitten. Die vertrockneten Bäume auf dem strahlend weißen Tonboden ergeben fast künstlerische Fotomotive.

Die Wüste lebt

Wer meint, eine Wüste ist ein langweiliger Ort, wo nur Unmengen Sand liegen, der wird von Tomy eines Besseren belehrt. Mit ihm begeben wir uns in der Nähe von Swakopmund auf die Spurensuche nach den „Little Five“ (als Pendant zu den „Big Five“).

Tomy ist ein Phänomen. Wo wir nichts sehen außer Sand - und zwar wirklich nichts als Sand - entdeckt er kaum wahrnehmbare Öffnungen oder unscheinbare Wölbungen auf den Dünen. Sein geübtes Auge entdeckt Spuren, die ihm verraten, wer schon vor uns hier war. Und dann springt er aus dem Fahrzeug und fängt wie wild an, mit bloßen Händen im Sand zu butteln. Und plötzlich hält er einen winzig kleinen Namib-Gecko in der Hand. Und unter einem Strauch spürt er ein Wüstenchamälion auf. Auch die Plätze von Skorpionen, Spinnen und Schlangen sind ihm geläufig.

Und als er unsere erstaunten Gesichter sieht meint er ganz gelassen: „Die wahren Geheimnisse verbirgt die Namib unter dem Sand – für das menschliche Auge kaum sichtbar“. Tatsächlich scheint die ganze Wüste von rätselhaften unterirdischen Lebewesen bewohnt. Und so wird uns eindrucksvoll vor Augen geführt: die Wüste lebt.

Schwarzwälder Kirschtorte

Wir kommen durch Orte mit für Afrika sehr fremdartigen Namen wie Marienthal oder Maltahöhe. Man merkt, dass Namibia früher eine deutsche Kolonie war. Sie trug damals die Bezeichnung Deutsch-Südwestafrika.

Die „deutsche Stadt“ schlechthin ist Swakopmund am Atlantik. An vielen Ecken ist noch die Atmosphäre einer deutschen Kleinstadt spürbar. Historische Bedeutung erlangte die Stadt als wichtigster Hafen für Einwanderer aus Deutschland. 1892 landete hier Hauptmann Curt von François und markierte mittels zweier Balken die mögliche Landestelle für Schiffe nördlich der Mündung des Swakop Flusses. Ein Jahr später folgten die ersten vierzig deutschen Siedler unter den Augen von 120 Schutztruppen-Soldaten. Hier leben heute noch immer Nachfahren ehemaliger Kolonialbeamten aus der dieser Zeit.

Gemütlich spazieren wir durch die Bismarck-Straße und schauen uns verschiedene Kolonialbauten wie das kaiserliche Bezirksgericht oder das Hohenzollernhaus an. Beeindruckend auch das von einem Zahnarzt 1951 liebevoll eingerichtete Museum. Neben interessanten Präsentationen über die verschiedenen ethnischen Gruppen gibt es auch Exponate aus der frühen Kolonialzeit, etwa einen Ochsenwagen, der vor mehr als 100 Jahren zwischen Grootfontein und Angola verkehrte.

Müde von den Besichtigungen habe ich nun einen besonderen Wunsch: In Anspielung auf meinen Vornamen will ich Rast im „Cafe Anton“ machen. Alle sind gleich einverstanden, und so bekomme ich weit weg von der Heimat eine köstliche Schwarzwälder Kirschtorte. Serviert von einer farbigen Kellnerin, die sich mit uns auf Deutsch unterhält.

Besuch bei den Himbas

Heute sind nur mehr fünf Prozent der Einwohner Namibias Weiße. Rd. 90% der Bevölkerung sind Schwarze. Damit ist Namibia ist ein typisch afrikanischer Vielvölkerstaat mit verschiedenen ethnischen Gruppen wie Ovambo, Kavango, Herero oder Damara. Ein besonders interessanter Stamm sind die Himbas, die in der nordwestlichsten Ecke an der Grenze zu Angola leben. So wie die Massai in Kenia gehören sie zu den letzten noch ursprünglich lebenden Nomaden Afrikas. Insgesamt leben heute in 52 Dorfgemeinschaften noch rund 7.000 Himbas in Namibia, davon ca. 4.000 vergleichsweise unberührt von der westlichen Zivilisation.

Das Leben der „roten Nomaden“

In der kargen Naturlandschaft des Kaokoveld konnten sie sich bis heute ihre ursprüngliche Lebensweise weitgehend erhalten. Seit Jahrhunderten leben sie als Viehzüchter und Hirten, die teilweise wochen- oder monatelang durch die karge Savanne ziehen, um spärliche Weideplätze für ihre Tiere zu finden. Daher errichten sie auch nur temporäre Siedlungen, deren Hütten aus einem Rohrgeflecht bestehen, das mit Lehm und Dung verputzt wird.

Bei einem Rundgang durch das Dorf erfahren wir einiges über Kultur und Lebensweise der „Roten Nomaden“. Ihre Hauptnahrung sind geronnene Kuhmilch und Mais, den sie gegen ihr Vieh eintauschen. Die Frauen tragen kurze Lederschürzen aus Kalbsfell und Schmuck in Form von Eisen- und Lederreifen sowie Muschelschalen. An der Haartracht erkennt man den gesellschaftlichen Status: Mädchen flechten sich zwei nach vorne wegstehende Zöpfe. Das soll die Hörner der Rinder symbolisieren. Heiratsfähige junge Frauen lassen sich dünne Zöpfchen tief ins Gesicht hängen und tragen auf dem Kopf ein kleines, verziertes Fellkrönchen. Verheiratete rasieren sich wiederum den Haaransatz über der Stirn.

Eine Besonderheit ist die Reinigungszeremonie der Frauen. Himba-Frauen waschen sich ihr ganzes Leben lang nicht. Stattdessen entfachen sie ein Feuer aus aromatischen Kräutern und Ästen. Im aufsteigenden Rauch löst sich die Paste auf ihrer Haut. Jeden Morgen tragen sie diese Paste aus Butterfett und einem eisenhaltigen Gesteinspulver auf ihre Haut auf, um sich vor der Sonneneinstrahlung sowie vor Insekten und Austrocknung zu schützen. Auch die Ausrüstungsgegenstände wie Kürbisflaschen Ledersäcke werden mit dieser Substanz imprägniert.

Abenteuer Safari

Die Höhepunkte unserer Reise sind zweifelsohne die Safaris. Wir besuchen mehrere der großen Nationalparks Namibias, und es ist jedes Mal ein einmaliges Erlebnis. Der berühmteste Nationalpark ist der Etosha im Norden des Landes. Er wurde 1907 gegründet und gehört zu den größten und tierreichsten Schutzgebieten der Welt. „Etosha“ bedeutet in der Sprache der Ovambos „großer Platz des trockenen, weißen Wassers“. Auf einer Fläche von der Größe der Schweiz tummeln sich hier insgesamt 114 Säugetierarten. Das Herzstück des Parks bildet die riesige Etosha-Pfanne, die fast ein Viertel der Gesamtfläche bedeckt.

Die Reise fand während unserer Sommerferien statt – da herrscht in Namibia Südwinter und Trocken- zeit. Das Gras ist niedrig oder gar verschwunden und die Tiere müssen sich an den noch verbliebenen Wasserlöchern versammeln, um trinken zu können. Es gibt neben Grundwasserquellen auch 40 artesische Quellen, bei denen das Wasser durch den Druck nach oben befördert wird. Gebohrte Brunnen ergänzen diese natürlichen Wasserstellen.

Bereits kurz nach Sonnenaufgang starten wir zu einer ersten Pirschfahrt. Es ist ziemlich kalt im offenen Jeep. Zum Glück haben wir dicke, warme Jacken mit und bekommen glücklicherweise auch noch Wolldecken zum Einhüllen. Wir verbringen mehrere Tage im Nationalpark und beziehen bei den verschiedenen Wasserlöchern Beobachtungsposten. Jede Wasserstelle zieht ganz bestimmte Tiere an und bietet daher ideale Bedingungen für ausgiebige Tierbeobachtungen. Es ist immer wieder spannend, in welcher Konstellation sich die Tiere zusammenfinden, um gemeinsam ihren Durst zu stillen.

Begegnung mit den „Big Five“

Elefanten trotten gemächlich heran und bespritzen sich mit Schlamm, um sich abzukühlen. Giraffe verrenken beinspreizend die Hälse, um zu trinken. Groß war unsere Freude, dass auch Löwen an die Wasserstellen gekommen sind. Vom offenen Jeep aus können wir Herden von Impalas, Springböcke, Oryx-Antilopen und Zebras beobachten, wie sie die Salzpfanne durchwandern.

Im Okaukuejo-Resort haben wir großes Glück: Unsere Zimmer liegen nur einige Meter von einer künstlich angelegten Wasserstelle entfernt, die in der Nacht beleuchtet ist. Im Schutz der Dunkelheit wagen sich drei Nashörner heran. Und während wir beim Wasserloch stehen und aus dem Staunen nicht herauskommen, holt sich ein Schakal ein Stück Schokolade, das wir auf der Veranda unserer Bungalows liegen lassen haben.

In einem anderen Nationalpark hatten wir das Glück, Wüstenelefanten zu begegnen. Friedlich ziehen die im Vergleich zu ihren Artgenossen kleineren Elefanten entlang unserer Trecke entlang und überqueren vor uns die Piste. Später konnten wir sie fast hautnah erleben, denn sie kommen bis vor das Fenster unsere Lodge. Einmalig: der Elefant im Vorgarten.

Nach den „Little Five“ in der Wüste hatten wir nun tatsächlich die „Big Five“ live erlebt: Elefanten, Nashörner, Büffel, Löwen und Leoparden. Die Vielfalt der Tierwelt in Namibia ist einzigartig und wir können uns gar nicht genug sattsehen…

Romantische Sundowner Fahrten

Ein schöner Brauch, den Tag in Namibia zu beschließen, sind die sogenannten Sundowner-Fahrten. An den unterschiedlichsten Plätzen wird Spektakuläres geboten - ob auf einer Düne in der Wüste, auf dem Plateau eines Berges oder an Bord eines Bootes. Auf einem Klapptisch, der elegant mit weißer Tischdecke bedeckt ist, stehen verschiedene edle Getränke und ein paar Häppchen zum Essen bereit.

Doch das ist nicht das Wichtigste. Beeindruckender - um nicht zu sagen berauschender - sind die spektakulären Sonnenuntergänge mitten in der Natur. Wenn der rote Glutball der Sonne hinter dem Horizont verschwindet und man nur noch die Geräusche der Wildnis hört, dann spürt man Afrika in seiner ursprünglichsten Form.


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