Nepal

Land der Gipfel und Götter
„Land der Gipfel und Götter“ - so wird Nepal manchmal genannt. Und auch wir wollten beides erleben – Natur und Kultur: die gewaltigen Berge des Himalaya, die Kunstschätze der Königsstädte, die beeindruckenden Tempelanlagen und Klöster, Eintauchen in die Mystik von Buddhismus und Hinduismus und Einblicke bekommen in das Leben der Einheimischen
Fotos: Norbert Lux / Toni Schmoll

Wandern durch abwechslungsreiche Landschaft

Das Land ist bekannt für das Himalaya-Gebirge und bietet eine Vielzahl von Trekkingtouren. Und auch wir folgen dem Ruf der Berge. Gleich nach der Akklimatisierung in der Hauptstadt Kathmandu machen wir uns auf nach Pokhara am Phewa-See. Von dort geht es auf teilweise abenteuerlichen Straßen zu unserem Ausgangspunkt nach Siwai.

Dor warten schon zwei Sherpas auf uns, die alles organisieren. Während wir uns noch stärken wird unser Gepäck aufgeteilt und für drei Träger zusammengestellt. Das Gewicht pro Person ist mit 15 kg begrenzt und jeder trägt das Gepäck von zwei Gästen. Diese enorme Leistung können wir gut ermessen, weil wir bereits mit unseren Fotorucksäcken in´ s Schwitzen kommen,

Mit dem Wetter haben wir Glück und wir starten bei strahlend blauem Himmel. Meistens sind wir zwischen 6 und 7 Stunden unterwegs. Wir nehmen uns aber jeden Tag Zeit, um die vielen interessanten Motive festzuhalten. Und davon gibt es unzählige. Denn dieser Trek ist sehr abwechslungsreich und das Landschaftsbild ändert sich immer wieder.

Die Wege, die die einzelnen Dörfer verbinden, sind gut ausgebaut, bei steilen Steigungen gibt es Steintreppen. Wir wandern über Reis- und Mais-Terrassen, kommen an Wasserfällen vorbei und überqueren kleinere Flüsse auf Holzbrücken. Über tiefe Schluchten sind atemberaubende Seilbrücken gespannt.

An anderen Tagen führte uns der Wanderweg führt uns durch dichte, moosbehangene Wälder mit wurzeligen Pfaden. Durch die hereinfallenden Nebelschleier bietet sich uns eine mystische Atmosphäre. Bereichert wird die ganze Szenerie durch riesige Rhododendronsträucher.Der nepalesische Rhododendron hat von allen Rhododendrenarten den größten Stamm und die größten Blüten. Wenn sich die rote Farbe dieser Blumen mit dem Grün des Waldes vermischt ist das ein einzigartiges Farbenmeer.

Atemberaubender Sonnenaufgang vor schneebedeckten Gipfeln

Ein besonderes Erlebnis war zweifelsohne der Sonnenaufgang am Poon Hill. Der Wecker ist auf vier Uhr gestellt. Beim Schein der Stirnlampen gibt es vor dem Aufbruch noch heißen Tee zum Aufwärmen. Dann beginnt unsere morgendliche Wanderung unter einem funkelnden Sternenhimmel

Kurz vor der ersten Morgendämmerung erreichen wir das Gipfelplateau des berühmten Aussichtsbergs Poon Hill auf 3210 m. Ganz langsam weichen die Sterne und die Dunkelheit und machen Platz für die leichte Orange- und die Rosafärbung, die sich immer mehr um die Bergspitzen drängt. Kurze Zeit später erreichen die ersten Sonnenstrahlen die Gipfel und vor uns erhebt sich das das überwältigende Panorama von Dhaulagiri, Annapurna Süd und Machapuchare. Die in voller Blüte stehenden Rhododendren, die bunten Gebetsfahnen, die im Wind vor den weißen schneebedeckten Gipfeln des Himalayagebirges wehen, sind ein unbeschreiblicher Anblick.

Begegnung mit den Menschen

Trekking ist mehr als bloßes Gehen. Es schafft die Möglichkeit der Begegnung mit den Menschen in ihrer Urtümlichkeit abseits vom Trubel der großen Städte. Sehr oft sind die Einheimischen mit großen geflochtenen Tragkörben unterwegs, die sie mit einem Stirnband tragen. Es ist erstaunlich, was und vor allem wie viel sie auf Ihrem Rücken tragen. Egal ob Lebensmittel, Feuerholz, Öfen, oder Tiere – diese Art von Transport ist in den Bergen oftmals die einzige Möglichkeit Dinge von einem Ort zum anderen zu bringen.

Umgeben von den mit Getreide und Gemüse bepflanzten Terrassen liegen die Dörfer der Einheimischen. Je nach Region sind die Einflüsse der tibetischen oder hinduistischen Kultur stärker spürbar. Den Wegesrand säumen Mani-Steine, in die Sprüche eingraviert sind, die Schutz und Segen bringen sollen. In den hinduistisch geprägten Dörfern entdecken wir immer wieder kleine Schreine, in denen vor allem Gott Shiva und seine Frau Parvati sowie deren Sohn Ganesha verehrt werden.

Der größte und schönste Ort ist das Gurung-Dorf Ghandruk. Es liegt auf 2.000m Höhe in den Vorbergen des Annapurna Himal 16 km südlich der Annapurna Süd. Die Volksgruppe deren Gurung, deren Vorfahren vor etwa 2.000 Jahren aus Tibet eingewandert sind, lebt vor allem von Viehzucht, Handel und dem Weben von Teppichen und Decken.

Im alten Ortskern stehen noch Häuser im traditionellen Baustil. Sie sind aus aufgeschichteten Trockenmauern errichtet und mit schiefergedeckten Dächern bedeckt. Türen und Fensterläden sind oft mit kunstvollen Schnitzereien verziert.

Jeep Safari im Chitwan-Nationalpark

Auch im Süden des Landes gibt es im Terrai viel zu entdecken. In dieser einst dicht bewaldeten, von Sümpfen durchzogenen Tiefebene an der Grenze zu Indien befindet sich der Chitwan Nationalpark. Dort bot sich uns nach unserer Trekking-Tour ein völlig anderes Naturerlebnis. Nachdem wir unser Quartier in der Tiger Top Lodge bezogen haben, starten wir gleich zu unserer ersten Erkundigungstour. Nicht weit entfernt begegnen wir den ersten Elefanten, die als Nutztiere eingesetzt werden. Uns wird demonstriert, wie aus Reisstroh, Melasse, Reiskörnern und Salz Futterkugeln hergestellt werden, die wir dann auch an einige Dickhäuter verfüttern dürfen.

Am nächsten Tag begeben wir uns auf eine Boots-Tour auf dem Nayarani-Fluss. Auf den flachen Sandbänken erspähen wir einige Exemplare der vom Aussterben bedrohten Gangesgaviale. Sie zählen zu den ältesten Tierarten und haben mehr Zähne als die anderen Krokodilarten. Besonderes Merkmal ist ihre lange und sehr schmale Schnauze.

Am Land setzen wir unsere Safari mit einem Jeep fort. Manchmal müssen wir mit unserem Geländewagen kleiner Flüsse überqueren. Im Wald stoßen wir auf mehrere Herden von Rehen und Sambarhirschen. In den Bäumen über uns turnen Languren mit schwarzem Gesicht. Zu Fuß marschieren wir zu verschiedenen Spots an gut einsehbaren Stellen des Flussufers. Immer wieder suchen unsere Ranger das Gebiet mit dem Fernglas ab, in der Hoffnung, einen der berühmten Bengalischen Tiger zu entdecken. Das ist ein Geduldspiel, denn Tiger sind sehr scheue Tiere. Nur einer hat Glück: durch das starke Teleobjektiv bekommt mein Freund Norbert dieses seltene Exemplar vor die Kamera. Wenn auch in einiger Entfernung so ist der Tiger dann in der Vergrößerung auf seinem Display gut erkennbar.

Das Highlight erleben wir alle aber zweifelsohne als während der langsamen Fahrt es im Gebüsch plötzlich raschelt und ein Nashorn vor uns dien Weg überquert. Der Chitwan Nationalpark ist berühmt für seine Nashörner. Aktuell leben hier 500 der gefährdeten Panzernashörner, die oftmals der Wilderei ausgesetzt sind. Ein tolles Gefühl, so ein gewaltiges Tier in freier Wildbahn zu erleben.

Tika und Guruhs

Eingerahmt von Am Zusammenfluss der Flüsse Trisuli und Kali Gandaki befindet sich Devghat, einer der heiligsten Orte in der hinduistischen Mythologie. In der Umgebung gibt es verschiedene Tempel und Höhlen, die verschiedenen Gottheiten gewidmet sind. Durch Zufall kommen wir vor der Höhle der Göttin Sita zu einer ausgelassenen Zeremonie, wo zu Musik mit Trommeln und Zimbeln gesungen und getanzt wird. Wir werden schnell in die Rituale miteinbezogen und bekommen am Ende auch ein Segenszeichen (Tika) auf unsere Stirn.

Nicht weit entfernt davon treffen wir in der Nähe des Flusses drei Sadhus, die in orangefarbenen Tüchern gehüllt sind. Sie sind bereits alt und erzählen uns von ihrem Leben. Sie hatten früher traditionelle Berufe und sich im letzten Abschnitt ihres Lebens von allem Weltlichen losgesagt und einer streng asketischen Lebensweise verschrieben.

Königsstädte

Im Zentrum der Kultur Eingerahmt von grünen und braunen Bergterrassen liegt das Kathmandutal quasi im Herzen von Nepal. Hier befindet sich das kulturelle Zentrum des Landes mit einer unglaublichen Konzentration von Kunst und Tradition. Der britische Offizier und Diplomat William Kirkpatrick meinte einst: „Im Tal gibt es so viele Tempel wie Wohnhäuser und so viele Götterbilder wie Menschen.“

Seit dem 15. Jahrhundert existierten hier auf engstem Raum drei Königreiche des Malla- Herrschergeschlechts, von denen jedes das andere an Pracht übertreffen wollte. Aus dieser Zeit stammen die drei Königsstädte Kathmandu, Patan und Bhaktapur. Das Herzstück in jeder Altstadt bildet der Durbar Square mit dem alten Königspalast und unzähligen Tempeln und Pagoden, die verschiedenen hinduistischen und bud- dhistischen Göttern gewidmet sind. Aber auch in den engen, verwinkelten Seitengassen befinden sich nahezu an jeder Ecke kleine Schreine für die Gottheiten. Davor stehen Messingteller mit Opfergaben wie Blumen, Butter, Obst oder Reiskörner.

Viele Gebäude wurden nach dem großen Erdbeben von 2015 aufwendig restauriert. Die Fassaden, Fensterläden und Sichtschutzgitter sind mit kunstvollen Holzschnitzereien verziert. Aus einem der schönsten Fenster in der Stadtmitte Kathmandus erscheint zu besonderen Anlässen die Kumari, die lebende Göttin. Dabei handelt es sich um ein kleines Mädchen, das als Inkarnation der Göttin Kali gilt.

Totenverbrennungen in Pashupatinath

Neben Kunst und Architektur ziehen uns vor allem die Feste und Zeremonien in ihren Bann. So erleben wir am Stadtrand von Kathmandu beeindruckende Totenrituale. Dort befindet sich in Pashupatinath das größte hinduistische Heiligtum Nepals, in dem der Gott Shiva als „Herr der Tiere“ und „Herr des Lebens“ verehrt wird. Mitten durch das Gelände fließt der heilige Bagmati- Fluss. Er hat für die Hindus eine große Bedeutung, denn ein Bad in diesem Fluss kann die Sünden wegwaschen. Auf der linken Flussseite finden fast ständig Verbrennungen statt, das Ufer ist mit dicken Rauchschwaden überzogen.

In Pashupatinath verbrannt zu werden, ist der Wunsch vieler Hindus. Der Tote wird in Tüchern gehüllt und auf einer Bahre zur Verbrennungsstätte gebracht. Dort wird er mit dem Wasser des Bagmati bespritzt. Danach legt man den Leichnam auf den Scheiterhaufen, wo er mit Holz und Stroh bedeckt wird. Bevor der Holzstoß angezündet wird, umschreitet der älteste Sohn den Toten fünfmal im Uhrzeigersinn - als Zeichen für die fünf Elemente Wasser, Erde, Licht, Luft und Äther. Nach der Verbrennung wird die Asche in den Fluss geschüttet, was eine bessere Chance auf eine gute Wiedergeburt bringen soll.

Bagmati Aarti

Jeden Abend findet in Pashupatinath ein weiteres faszinierendes Ritual statt. Noch während die Feuer von den Verbrennungen langsam erlöschen versammelt sich eine riesige Menschenschar auf den Stufen gegenüber den Verbrennungsstätten zum Aarti-Ritual ( „Aartis“ gelten als höchsten Form des Gebets). Wir sind an einem Montag dort – dieser Wochentag gilt als der wichtigste Tag, um Shiva zu verehren und daher sind heute besonders viele Gläubige hier.

Die „Pashupati Bagmati Aarti“ wird von drei Priestern zelebriert, die nebeneinanderstehen. In kreisförmigen Bewegungen schwenken sie verschieden Geräte mit brennenden Öllichtern während sie heilige Mantras singen. Die Zeremonie zieht alle Zuschauer in ihrem Bann. Sie sind begeistert und singen die Bhajan – die Lieder zur Verbesserung der gesamten Menschheit- und klatschen im Rhythmus mit. Von einigen Anhängern wird ein Tanz namens „Tandav” aufgeführt. Es ist ein heiliger Tanz, der auf Shiva beruht und mit dem ihm Verehrung gezollt wird. Es herrscht eine fröhliche und friedliche Stimmung und wir sind von dieser einmaligen Atmosphäre tief beeindruckt.

Das Nepalesiche Neujahrsfest

Am Ende unserer Reise erleben wir das nepalesische Neujahrsfest. Es wird nach dem Bikram Sambat, dem offiziellen Kalendersystem Nepals, am ersten Tag des Monats Baisakh (Mitte April) gefeiert und markiert die Ankunft der Frühlingssaison. Eines der interessantesten Feste steigt in Bhaktapur – das einwöchige Bisket Jatra. Die ganze Stadt befindet sich in Feierlaune, alle Schreine und Tempel sind festlich geschmückt.

Als wir ankommen, wird am Festplatz vor dem Hanumante-Fluss ein 25 Meter langer Baumstamm mit Seilen und Muskelkraft herbeigeschleift. Dann versuchen mehrere hundert Männer unter tatkräftigem Anfeuern der Menge, den Baum in einem gemauerten Bodenlager zu fixieren und mit Seilen aufzurichten. Das gelingt nicht gleich, die Prozedur dauert mehrere Stunden. An der Spitze befindet sich ein Querbalken mit frischen grünen Zweigen, an dem schwere Stoffbahnen angebracht sind. Dieser als Lyasing Dya bezeichnete Mast ist ein stili siertes Phallussymbol, die beiden Fahnen oben stellen zwei Schlangen dar. Laut einer Legende ist dies das Fest, das den Tod der Schlange markiert.

Schon Tage vor dem Start des Festivals haben die Menschen begonnen, zwei Wagentempel für die Prozession vorzubereiten, einen großen für Bhairav (zerstörerische Inkarnation von Shiva) und einen kleineren für Bhairavi, seine Begleiterin. Die Wagen mit ihren massiven mannshohen Holzrädern, dem Chassis aus schweren Holzbohlen und dem Aufbau mit Altar und Dächern sind tonnenschwer. Das charakteristische Ereignis der Jatra ist das Tauziehen zwischen dem oberen und unteren Teil der Stadt.

Mittlerweile hat sich eine riesige Menschenmenge angesammelt. Auch auf den Balkonen und Erkern der Häuser drängen sich die Menschen und warten darauf, dass der große Wagen vorbeikommt. Dieser wird von vielen Männern mit dicken Seilen durch die Gasse manövriert. Es ist nicht leicht, das schwere Gefährt um die Biegung zu bekommen. Als der große Wagen mühsam um die letzte Hausecke gezogen wird und dann relativ schnell in Richtung Festplatz rollt, wird das mit Johlen, Trommeln und Tschinellen gefeiert. An den Stopps eilen die Gläubigen herbei, um Bhairav die Ehre zu erweisen und die Tika zu erhalten. Am nächsten Tag, dem ersten Neujahrstag, werden Opfergaben auf die Wagen gereicht. Neben Obst und Blumen opfert man auch Tiere, vor allem Hühner, aber auch einige Ziegen.

Sindur-Jatra-Festival in Thimi

Auch in Thimi steht alles im Zeichen der Neujahrsfestlichkeiten. Vertretern aus verschiedenen Stadtteilen und den umliegenden Dörfern sind zusammengekommen, um 32 Holzaltäre (Khats) mit Statuen verschiedener Götter durch die Stadt zu tragen. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung: Die Menschen singen und tanzen wild zu den Rhythmen der lauten Trommeln und Tschinellen. Immer wieder wird zinnoberrotes Farbpulver in die Menge geschleudert. Und dementsprechend sehen auch unsere Gesichter aus. Nun sind auch wir endgültig Teil des Trubels geworden.


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