Zentralamerika

Honduras und Guatemala
Honduras und Guatemala – das sind zwei Länder in Zentralamerika, die mit einer reichen Geschichte und einem bunten Jetzt aufwarten können. Ich nehme Sie mit auf eine Reise zu den alten Maya-Stätten, den Relikten der Kolonialzeit und den Menschen, die irgendwo dazwischen leben.

Es rumpelt gewaltig und der Wind pfeift um die Ohren. Gut eingepackt sitze ich auf der Ladefläche eine Klein-Trucks. Den ungewöhnliche Sitzplatz hatte ich gewählt, weil mir bei den zahlreichen Kurven oftmals übel wurde. Positiver Nebeneffekt: So habe ich einen Rundumblick auf unserer Fahrt durch Honduras und Guatemala.

Aber nicht nur die Straßen-, sondern auch die Sicherheitsverhältnisse sind eine Herausforderung auf dieser Reise. So gibt es Streckenabschnitte, auf denen von dubiosen Gestalten Schlaglöcher händisch ausgebessert werden. Dafür wollen sie Geld, das man besser ohne große Diskussionen bezahlt. Nach dem Vorbeifahren werden die Steine dann wieder aus den Schlaglöchern entfernt, um wieder „Ausbesserungen“ vorzunehmen. Auch allgemeine Sicherheitsregeln gilt es unbedingt zu beachten.

Sowohl in Honduras als auch in Guatemala sind Schusswaffen weit verbreitet. So entdecken wir beispielsweise bei einem Hauseingang den Hinweis: „Eintritt mit Waffen verboten“. Wir sind zu dritt unterwegs und haben das Glück, dass einer von uns bereits einige Jahre im Bereich der Mikrofinanzierung vor Ort tätig war und die Usancen bestens kennt.

Die Hochkultur der Maya

Nach dem Besuch der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa ist unser Ziel Copán, das neben Tikal (Guatemala) und Palenque (Mexiko) zu den größten Attraktionen der Maya-Welt zählt. Die Stadt wurde um das Jahr 1000 v. Chr. von den Maya gegründet. Da sie durch ihre Lage eine Art Außenposten des Maya-Gebietes darstellte, fand dort ein reger Handel statt - wichtige Güter waren beispielsweise Jade und Obsidian. Gleichzeitig kontrollierte die Stadt die Handelswege des östlichen Reiches was auch zu einem großen Reichtum führte. Im Laufe der Jahre wuchs Copán und wurde zu einem wichtigen kulturellen und politischen Zentrum. Der große Aufstieg begann im 5. Jahrhundert mit dem bedeutenden Herrscher Yax Kuk Mo. Er gilt als Begründer jener Dynastie, die fast 400 Jahre lang hier regierte.

Das Herz der Stadt bildet die Gran Plaza mit der Akropolis und den ihr angeschlossenen Stufenpyramiden und Palästen. Die Ruinenstätte von Copán beeindruckt vor allem mit ihren Stelen und präzisen Steinmetzarbeiten. Die von den Maya „lakam tuun“ (großer Stein) genannten Pfeiler tragen an allen Seiten Verzierungen, Gravuren oder Inschriften, die über das Leben der dargestellten Könige und deren Taten berichten. Aufgestellt wurden die Stelen meist zu politischen Jubiläen. Dazu mussten die Bewohner aber die tonnenschweren Steinpfähle oft erst steile Berghänge hinauf transportieren.

Vor einem mächtigen Pyramidenbau im Zentrum steht der sog. „Altar Q“. Er ist ein wichtiges Schlüsseldokument der Maya-Forschung in Copán. Auf seinen vier Seiten sind die bis 763 regierenden 16 Könige abgebildet, jeder auf seiner Namensglyphe sitzend. Auf der Vorderseite sehen wir links den Dynastiebegründer Yax Kʼukʼ Moʼ. Ihm gegenüber sitzt der letzte Herrscher Yax Pak mit dem Regierungszepter. Er ließ diesen Altar errichten. Unter dem Altar fanden die Forscher 15 Jaguarskelette – Opfer für jeden der 15 Vorfahren. Der Jaguar galt als Sinnbild für Herrscher, Macht und Unterwelt und symbolisierte die Verbindung zu den Verstorbenen.

Das Highlight der archäologischen Stätte ist zweifellos die Hieroglyphentreppe, die der 15. Herrscher anfertigen ließ. Steinmetze, Schreiber und Künstler schufen eines der bedeutendsten Kulturdenkmäler der Neuen Welt. Die Treppe besteht aus 55 Stufen mit insgesamt 2.200 Steinblöcken, die mit Hieroglyphen überzogen sind. Es wird hier die Geschichte von Copán von 545 bis 745 n. Chr. erzählt. Damit stellt diese Treppe in ihrer Gesamtheit den längsten in Stein gemeißelten Text in Maya-Schrift dar. Rund ein Drittel davon ist bis heute übersetzt.

Typisch für die Maya-Zivilisation waren auch die Ballspielplätze. Jener von Copán ist der zweitgrößte, der im Gebiet der Maya entdeckt wurde. Sein Spielfeld wird von zwei aus Tuffstein errichteten Böschungen eingegrenzt. Das Spiel war weniger als Leibesübung gedacht, die Regeln folgten vielmehr mythologischen Gesetzen. Ballspielplätze galten als Symbol für die Grenze zwischen natürlicher und übernatürlicher Welt. So beschrieb etwa der gespielte Ball die Flugbahnen der Himmelskörper und musste bestimmte Markiersteine treffen.

Bei Nasenbären und Brüllaffen

Oben an der Karibikküste überschreiten wir die Grenze zu Guatemala und gelangen nach einem Besuch bei den Garifunas den Dschungel von Peten. Dieser große Nationalpark ist die siebtgrößte Regenwaldreserve der Erde.

In unsere Lodge inmitten der Natur können wir in der Nacht die verschiedensten Geräusche der Tierwelt vernehmen. Vor allem die Brüllaffen sind mit ihrem furchteinflößenden Geschrei allgegenwärtig, das sich manchmal anhört, als würde irgendwo im Dschungel eine wilde Zeremonie abgehalten. Am Tag begegnen wir immer wieder Herden von Nasenbären, die auf die Abfälle der Besucher warten.

Tikal – Mayatempel im Dschungel

Mitten im Dschungel liegt eine der wichtigsten archäologischen Stätten der Maya-Zivilisation in Guatemala: Tikal. Fast mystisch und magisch ragen die Spitzen der Pyramiden über die Baumwipfel hinaus. Zur Zeit der Wiederentdeckung im Jahr 1848 gab es hier keine Wege – die Tempel, Pyramiden und Paläste waren vollständig vom Dschungel überwuchert und nur als steile Hügel erkennbar. Auf einer Fläche von 16 Quadratkilometern verzeichneten die Forscher Überreste von 3.000 Bauwerken. Das gesamte Gebiet wurde zum Weltkulturerbe erklärt. Bis heute sind nur einzelne Bauwerke und Wege freigelegt. Der Rest des Areals besteht aus dichtem Urwald und Trampelpfaden, auf denen wir mit uns mit einem Guide die wichtigsten Sehenswürdigkeiten ansehen.

Die Geschichte von Tikal reicht bis in die Zeit vor Christi Geburt zurück, ihre Blütezeit erlebte die Stadt zwischen dem 4. Und 9. Jahrhundert. Damals zählte sie mehr als 100.000 Einwohner, war die strahlendste Stadt der Maya-Zivilisation und sogar größer als zur selben Zeit Rom.

Die Große Plaza wird beherrscht von zwei sich gegenüberliegenden Tempeln. Der Tempel I, auch „Großer Jaguar“ genannt - ist mit 52 Metern Höhe das Wahrzeichen der gesamten Maya-Kultur. Er wurde vom 26. Fürsten, vom mächtigen König Ah Cacau errichtet, der von 682 – 734 regierte. Der „Große Jaguar“ besitzt neun stufenförmige Terrassen, in deren Mitte eine steile Treppe bis zum Spitze führt, auf der das Heiligtum errichtet ist. Hier standen die Priester, um dem Volk zu erklären, dass sie es geschafft haben, die Götter gnädig zu stimmen.

1958 wurde unter der Pyramide das Grab des Fürsten mit kostbaren Grabbeigaben entdeckt. Mehr als 180 Jadestücke schmückten ihn. Jade galt wegen seiner grünen Farbe als Atem des Lebens und als Symbol für Fruchtbarkeit. Besonders berühmt: die Mosaikmaske, die aus Jade, Muscheln und Perlmuscheln besteht.

Anhand einer Skizze erklärt uns unser Guide ein interessantes Phänomen: So ist vom Eingang der Tempelpyramide IV an zwei für die Maya heiligen Tagen der Sonnenauf- und -untergang exakt im Dachkamm des in der Gebäudeachse liegenden Tempels I zu sehen.

Erholung am Atitlan See

Neben den großartigen Kulturdenkmälern besticht Guatemala aber auch durch seine Landschaften und vor allem auch durch seine Menschen. Vom heißen Tiefland des Peten führt uns unsere Reise über St. Cruz del Quiché in das Hochland mit seinen Vulkanen, Dörfern und Märkten der Indiginas.

Zunächst machen wir nach einer langen und anstrengenden Fahrt Halt beim Atitlan-See. Er liegt 150 Kilometer westlich der Hauptstadt in 1.560 Metern Höhe. Unsere Anlage befindet sich am nördlichen Seeufer in Panajachel. In einem wohlig warmen Pool sitzend bestaunen wir dieses einmalige Ensemble an Naturschönheiten: den tiefblauen ruhigen See, die wie an einer Perlenkette aufgereihten kleinen Orte und die drei beeindruckenden Vulkane San Pedro, Toliman und Atitlán im Hintergrund. Wenn man hier den spektakulären Sonnenuntergang beobachtet, wird verständlich, dass manche den Lago de Atitlán als einen der schönsten Seen der Welt beschreiben.

Die Dörfer der Indigenas

Die Einwohner Guatemalas nennen sich selbst Indigenas. Die Berglandschaft um den See wird von drei Volksgruppen besiedelt: Neben den Tzutuhil sind das die Cakchiquel und die Quiché. Rund um den See gibt es insgesamt 14 Dörfer, die vielfach die Namen eines Apostels tragen – etwa San Pedro oder San Lucas.

Auffallend ist die bunte Kleidung der Frauen. Diese Trachten sind allerdings keine Erfindung der Maya, sondern stammen von den spanischen Eroberern. Sie hatten im 16. Jahrhundert die Einheimischen je nach Dorf in unterschiedliche Kleidung gezwungen, um sie voneinander unterscheiden zu können. Erst im Laufe der Zeit wurde die Tracht zu einem Identifikationsmuster mit unterschiedlichem Symbolgehalt. So ist beispielsweise in einem Dorf blaue Tracht vorherrschend während woanders filigran aufgestickte Vögeln oder Mustern dominieren.

Das bedeutendste Tzutuhildorf am See ist Santiago Atitlan, das von den Franziskanern gegründet wurde. In der 1566 erbauten kolonialen Kirche sind alle Heiligenfiguren in Tracht der Einheimischen gekleidet. Daneben gibt es in diesem Ort eine eigenartige Figur: „Maximom“ – der „Komischer Heilige“. Eine Zigarre rauchend, mit Hut und Sonnenbrille wird diese Holzpuppe verehrt und zu Ostern mit den katholischen Heiligen durch die Straßen getragen. Die Figur ist ein Relikt des vorchristlichen Glaubens. Ihm werden Weihrauch, Schnaps und Geld geopfert.

Zeugnisse der spanischen Kolonialzeit

Bei unserer Fahrt begegnen wir immer wieder Zeugnissen der spanischen Kolonialzeit. Eines der berühmtesten Beispiele dieser Epoche ist die Stadt Antigua. Sie liegt am Fuße des Vulkans Agua und war bis 1773 für über 200 Jahre die Hauptstadt des ehemaligen Königreichs Guatemala. Bis heute ist das Flair der spanischen Kolonialzeit erhalten geblieben: die kopfsteingepflasterten Gassen sowie die bunten Fassaden der Kolonialbauten bieten farbenprächtige Bilder. Der Arco de Santa Catalina ist dank des Agua-Vulkans im Hintergrund das wohl berühmteste Fotomotiv.

Antigua war eine Stadt der Kirchen, Klöster und Konvente – über 50 derartige Bauwerke gab es hier einst. Nach dem verheerenden Erdbeben von 1773 liegen die meisten als Ruinen verstreut über die ganze Stadt. Relativ gut überstanden hat das Beben die wunderschöne Kirche Iglesia la Merced. Mit ihrer Stuckornamentik gehört sie zu den besterhaltenen Zeugnissen barocker Baukunst in Zentralamerika. Im Kloster befindet sich größte Brunnenanlage Mittelamerikas, die auch „Brunnen der Fische“ genannt wird, weil die Mönche dort eine kleine Fischzucht betrieben haben.

Märkte, Mais und Marimbas

Mit ihrer Farbenpracht ein Eldorado für Fotografen sind die indianischen Märkte des Hochlands. Größere Orte wie Chichicastenango halten an zwei Tagen in der Woche einen solchen Markt ab. Die Indigenas kommen oft über 50 Kilometer weit her, um hier ihre Waren anzubieten. Neben einer Vielfalt von Keramikwaren bietet dieser Markt eine unüberschaubare Fülle an Textilien zum Kauf. Berühmt sind vor allem die kunstvollen indianischen Webarbeiten. Schon bei den Maya war das Weberhandwerk Bestandteil jener Hochkultur, die auch die spanischen Eroberer in Staunen versetzte.

Auf dem Marktplatz befindet sich auch die Iglesia de Santo Tomás. Sie wurde 1540 von den Dominikanern auf den Stufen eines alten Maya-Tempels erbaut. Chichicastenango war früher ein wichtiges religiöses Zentrum der Quiché-Indianer. Maya-Priester nutzen die Kirche auch heute noch für ihre Rituale. Auf den Treppen wird wie zu vorkolumbischen Zeit Kopalharz verbrannt und den Göttern geopfert, Kerzen angezündet und Weihrauch geschwenkt. Jede der 18 Stufen, die zur Kirche hinaufführen, steht für einen Monat des Maya-Kalender-Jahrs.

Zur Stärkung haben wir uns an die Essgewohnheiten der Bevölkerung angepasst. Ein wichtiges Grundnahrungsmittel aller Indigenas bildet der Mais, der bis in hochgelegene Gebiete angebaut wird. „Mais“ bedeutet „Leben“ - und alten Maya-Mythen zufolge wurde auch der Mensch aus Mais erschaffen. So steht der Maisgott Yum Kaax nach dem Regengott und Schöpfergott an dritter Stelle. Wir bekommen Mais entweder in Form von gekochten Maiskolben oder als Fladen (Tortillas).

In Chichicastenango wohnen wir in einem historischen Hotel mit schönem Innenhof, in dem es den ganzen Tag musikalische Untermalung durch einen Marimbaspieler gibt. Die Marimba Ist zweifelsohne das guatemaltekische Musikinstrument schlechthin. Sie stammt eigentlich nicht aus Guatemala, sondern wurde von Sklaven aus Afrika im 17. Jhdt. über die Westindischen Inseln hergebracht. Als Resonanzkörper dienen ausgehölte Kalbassen unter den Holzklangstäben.

In der Nacht wird es übrigens doch recht kalt. Daher freuen wir uns, dass ein Einheimischer Feuer im offenen Kamin entfacht – und das in landestypischer Kleidung.


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